22.7.07

6. Juli / Zwischen Áras und Álatjåhkka

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Heute hing mir nach, daß in der Nacht diese alte chronische Nebenhöhlenentzündung wieder aufgeflammt ist, mit allen üblichen Symptomen, Kopfschmerzen, Übelkeit, kaum Schlaf...

Prompt auf dem Rückweg – das Grau hatte sich nach oben verzogen, kein Hauch rührte sich, und vom Boden stiegen dicht die Mücken herauf – zu ungeduldig gewesen, zu früh hinuntergegangen und in einige Schwierigkeiten mit den Schlingenarmen von Weiden, den verstrickten Zweigen von Zwergbirkengestrüpp geraten...

Das Tal schneidet hier in eine andere, nahrungsarme Gesteinsschicht hinein. Die Bäche verlieren ihren übersprudelnd glitzernden Charme und quälen sich glitschig verbissen zwischen stumpfem Geröll. Das Weidengrün wird dumpfer, bekommt höhere, widerständige Äste. Auf den trockenen Partien stockt dunkel Zwergbirke, schließt sich undurchdringlich zusammen. Und schließlich überlebt auf den Rücken der Esker, den wirren Haufen des Moränengeschiebes, nur noch schüttere, fast braunrot vertrocknete Blaubeerheide. Alles Blühen ist wie fortgewischt. Nur auf den Mooren sickern noch manchmal mit dem Wasser Nährstoffe herunter, und man findet – sozusagen mitten im Niemandsland des grobverhärteten Wachstums – lindgrün glänzende Blätterbögen, rosarot wächserne Blütenrispen. Das ist eine der Gymnadeniaarten, die hier trotz allem blüht.

Gegen Mittag schien durch das Grau schwach wärmendes Sonnenlicht, und ein Abglanz milder Heiterkeit legte sich über das Land.

Ich ging auf der anderen Seite des Miellädno weiter, nach Osten, in das Innere des Landes hinein. Auch hier ist der Boden arm: Am Hang stocken Moore, Weiden wachsen weiträumig herauf. Aber wenn man nur achtsam genug auf das Wachsen der Weiden sieht, auf den Wechsel in der Struktur des Moorgrases, und dazu noch einiges über das ineinanderfließende Muster von Mooren und Weiden und steinigem Boden weiß, dann findet man einen Weg, der sich leise und leichtfüßig geht, sich wie selbstverständlich in den Fortgang des Landes fügt, Schritt für Schritt und immer weiter fort.


Die Jungen der Moorschneehühner sind schon lange mit winzigen spitzen Flügeln schwirrend im Dickicht der Weiden verschwunden, die scharfen Schatten der Falkenraubmöwen, ihre gellend-kreischenden Angriffsflüge sind schon lange in der Stille versiegt. Karge Weite umgibt einen, man geht in sie ein.

Irgendwann später verbleiben vom Áras dann nur noch niedrige Rücken und im grauen Grün der Weiden, im stumpfen Grau des Gerölls, im braunen Beige der Moore öffnet sich eine Wiesenmulde: Gelbe Veilchen leuchten in der Sonne. Im lichtdurchschienenen Grün der Kräuter und der Gräser glitzert ein Bach. Felsenbänder schichten sich, wohlgegliedert, in die Höhe. Dort setzt man seinen Rucksack ab, ruht und trinkt vom Wasser, das, in dunkler Erde eingegraben, kühl und murmelnd fließt und nach all den Regentagen glasklar gleißend Wasserkörper über grüne Wiesenränder schmiegt.

Alte Berge steigen ringsherum zu runden Kuppen auf und tragen kein Eis der Gletscher mehr. Weiden, Sand der Eiszeit, junge Moore, alte Esker folgen jetzt dem weiten Schwung des Tales und zwischen ihnen leuchtet, eisblau, türkisblau, Wasser von den nahen Gipfeln. Zacken, Grate, weiße Gletscher füllen dicht den Horizont und ragen vom fernen Talgrund in das Blau des Himmels auf. Und am Boden liegen massig Blöcke aus grauem Stein verstreut und werfen dunkle Schatten im Tal des Miellädno.


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(Bergtundra, S. 88)

2. Juli / Stáloluoktastugorna

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Westwindwetter. In heftigen Böen treibt es die Wolkenmassen über die Gletscherberge, drückt sie tief hinunter. Sie fahren als sausender Nebel herein, ballen sich schwarz zusammen, werden vom Wind zerfetzt und aufgerissen. Der Sturm peitscht den Regen fast waagrecht, Schauer prasseln herunter, flüchtiges Sonnenlicht streift über das Wasser. Im Virihávrre wechseln die Farben in Schichten und Streifen, gletschergrün, bleigrau und blaugrau, hell aufstrahlendes Grüngelb. Windzerpeitschte Wellen fahren darüber, vom Horizont im Westen bleibt nur ein sich verdichtendes Grau. Das Wasser, in Aufruhr, zerfließt darin.

Im Osten liegt das Hochland im Nebel versunken. Grün-dunkle Massen ansteigender Hänge führen ins diesige Nichts.

Am Strand blühen im sandigen Boden rosarot-weiß, silbergrau, sammetweich Katzenpfötchen.


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(Bergtundra, S. 79)