3.8.07

Aktse, 9. Jan.

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Sturm in der Nacht. Vor der Tür eine hohe Schneewehe: ca. 20 cm Neuschnee. -12° C. Und immer noch wütender Wind.

Die Wolkenschicht hat sich etwas nach oben verzogen. Man sieht die ansteigenden Berghänge des Tales, den Felsenkern des Nammásj. Dahinter ist ein grauweißes Wetterloch, darüber eine geschlossene Wolkenfront.

Die üblichen Versorgungsarbeiten: Schnee von den Türen wegschippen, Abfallwasser zur Sickergrube bringen, Wasser aus der aufgehackten Stelle im Bach holen, Holz sägen und hacken. Heute durch den Sturm erschwert, durch den Neuschnee, den Driftschnee. Stellenweise watete man bis zu den Knien im losen Weiß, und die Spur, die man auf dem Hinweg zum Bach sich erarbeitet hatte, war auf dem Rückweg schon fast wieder zugeweht.

Der Wald hat sich in seiner oberen Hälfte fast ganz von der Schneelast befreit. Aber alles, was darunter liegt, ist jetzt natürlich um so mehr zugeschüttet. Auf den freien Flächen beginnen sich die charakteristischen Muster von freigeblasenen vereisten Schneeflächen und aufgehäuften Schneedünen abzuzeichnen.

Gegen 11 Uhr hatte der Wind die Wolkenschichten so weit auseinander- und fortgetrieben, daß das Grau sich an ihren verwehtesten Stellen rosa einfärbte, feine Wolkenschleier verblaßten weißrosa, rosa durchhauchte Helle erschien. Und dann sah man in lichtestes Himmelsblau, fällt dort förmlich hinein, verliert sich darin. Man muß das Himmelsblau aus dieser sieben Tage währenden Last des Dunkelgrauen und Dichten heraus erlebt haben, um wieder zu erfassen, was sein eisiges Hellblau ist: erster Schöpfungstag, der den Himmel von der Erde schied, Anfang aller Zeiten.

Sanfter Anstieg, runde Schwünge von den Hängen werden deutlich, schwarzer Fels steigt in die Wolken. Und im dunkelsten Grau der Ferne scheint langsam Lichterweiß auf, formt sich zu Gipfeln, zu makellosen weißen Körpern hoher Berge aus.

Wer sagt, daß nur des Menschen Schönheit Eros wecke, jenen schweren Schwindel, der berauschend aus der Mitte unseres Körpers steigt, hat keine Ahnung.

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(Bergtundra, S. 244)