8.8.07

Stadt

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Es gab Endlosmauern aus Beton, in denen sich immer wieder die Abdrücke von Brettern wiederholten.

Es gab Mauern aus Metall, in Kästen eingeteilt und aufgebaut.

Es gab welche aus rosarotem Sandstein, scharfkantig behauen und weich-bröselig angewittert, und welche, die aus Papierschichten zusammengeklebt waren, eine über der anderen, bunt gekrümmt.

Und Mauern gab es, um nur einige noch zu nennen, auf denen Glassplitter in einem erstarrten Betonbrei steckten, und welche, auf denen lagen die Kratzer- und Filzstiftspuren, die Tesafilmecken und Fetzen von aufgeklebten und wieder abgerissenen bedruckten Seiten, die alten Kaugummis und Brandspuren so dicht, daß sie den Untergrund fast ganz bedeckten, und andere, die waren so widerständig, daß nur dicke Ölfarbe und der Schmutz des smoggesättigten Regens mit ihren Fließspuren daran haften blieben.

Und in diesem ganzen System von Mauern, zu dem das Gekritzel und Gekrakel der Information schließlich genausogut wie alles andere dazugehörte, in seiner Mitte sozusagen, standen hinter einem Bauzaun:

Die rissigen grauen Putzmauern eines Altbaues mit holzvernagelten Fenstern und einer roten Fahne im dritten Stock. Die rohen dunkelroten Backsteinmauern einer leerstehenden Fabrik mit Reihen über Reihen von eiseneingefaßten Fenstern, die oberste Reihe bisweilen nachts noch hell erleuchtet. Zwischen diesen beiden zog sich, kaum mannshoch, eine halbverfallene Backsteinmauer hin.

Und über diese schäumte, man kann es nicht anders sagen, eine Pflanze.

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(Wegerich und Schlangenhaut - Vom wilden Leben in den Städten, S.22)